Vor kurzem war ich ein paar Wochen in Südfrankreich, einer meiner Herzensgegenden, wo ich mich zu Hause und rundum wohl fühle. Auf der Rückreise über Italien und die Schweiz habe ich einen Zwischenstopp in Montagnola eingelegt, um das Hermann-Hesse-Museum zu besuchen. Das hatte ich mir schon lange vorgenommen. Und es hat sich gelohnt!
Hermann Hesses Bücher haben mich seit meinem 16. Lebensjahr begleitet – und schon damals tief bewegt. Als ich in seinem Arbeitszimmer stand, habe ich diese Verbindung plötzlich wieder ganz intensiv gespürt und mir gedacht, dass die Seelenverwandtschaften zeitlos sind. Gott sei Dank! Sie sind wie ein Schatz, ein goldener Faden, den man immer wieder finden und an dem man entlang gehen kann. Dass Hesse kein ganz leichtes Leben hatte, hat sicher dazu beigetragen, dass er sich immer weiter nach innen wandte, um das Rätsel des Lebens zu ergründen. Er hat u.a. eine Psychoanalyse bei C. G. Jung gemacht, die ihm half, sein Seelenleben besser zu verstehen und mit seinen Problemen bzw. den Fragen, die sich ihm in seinem Leben innerhalb von privaten und geschäftlichen Beziehungen stellten, anders umzugehen als zuvor. Zum Glück hat Hesse diese Erfahrungen in seinen Büchern verarbeitet und damit seinen Lesern zugänglich gemacht.
Das Schlüsselwerk war für mich damals – wie für viele andere Menschen in der ganzen Welt – das Buch „Siddharta“, das in mir das anrührte, was ich vorher nicht benennen konnte: die Sehnsucht nach einem höheren Sinn im Leben, die Frage nach dem Sinn des Lebens überhaupt. Die Geschichte von Hesses „Buddha“ – denn die historische Figur Buddhas, dessen Name auch Siddharta war, war die Vorlage für „Siddharta“, zeigt den Weg des Menschen durch die verschlungenen Pfade des Lebens. Es handelt von der Suche nach dem „All-Einen“, das in jedem Menschen verborgen liegt. Welche Schwierigkeiten uns dabei begegnen, dieses „All-Eine“ zu finden sowie die Chancen, uns auf diesem Weg gerade durch die Unebenheiten auf unserem Lebensweg weiterzuentwickeln– davon handelt dieses Buch.
Ich habe es inzwischen wieder einmal gelesen und verstehe es jetzt, wo ich auch schon eine lange Lebensstrecke sowohl der Suche als auch des Findens zurückgelegt habe, immer besser. Einsicht in die wahre Natur der Dinge möchte Hesse in dem Roman vermitteln. Wir würden es heute Erleuchtung nennen, ein Begriff, der oft sehr strapaziert wird. Ich finde Hesses Idee von der wahren Einsicht in die Natur der Dinge daher eine wunderbare Formulierung. Wenn uns diese Einsicht irgendwann gelingt, jedem auf seine ganz besondere Weise und seinem Karma entsprechend, hört die Frage nach dem Sinn des Lebens auf, da wir das All-Eins sein in uns selbst erleben. Vielleicht wollte uns Hermann Hesse mit „Siddharta“ dabei ein Stück weiterhelfen!
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